02. Juli 2023 Thema: Bildung und Soziales, Wohnen und Energie Von Martina Thalmayr
Alle reden vom Fachkräftemangel. Wenn wir ehrlich sind müssen wir von einem Kräfte- oder Arbeitskräftemangel sprechen. Denn in den hoch dotieren Berufen fehlt es weniger an Interessenten als dort, wo direkt „am“ oder „für“ den Menschen gearbeitet wird, sei es in der Pflege, Bildung, Verkauf, Gastronomie und eben auch im Handwerk.
Das ist vor allem auch in den Hinblick auf die Energiewende und alles was dazu gehört fatal. Ohne unsere Handwerker werden wir kein Haus sanieren, keine Heizung erneuern, keine PV- Anlage installieren und kein Windrad aufstellen. Was können Handwerksbetriebe tun, um für ihren Beruf zu begeistern?
Die Bezahlung ist immer Argument Nr. 1. Meistens ist eine übertarifliche Bezahlung ein funktionierenden Instrument um als Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt attraktiv da zu stehen.
Die Kehrseite ist natürlich – und das darf nicht wegdiskutiert werden – dass die Personalkosten immer auf das Produkt umgelegt werden müssen. Höhere Löhne bedeuten also teurere Produkte.
Die Forderung nach höheren Löhnen, egal in welcher Branche, ist absolut gerechtfertigt. Höhere Preise sind vor allem im Handwerk oder in den sozialen Bereichen kein Ausdruck von höheren Gewinnen für die Unternehmer, sondern einfach nur die notwendige Folge von fairen Löhnen.
Handwerker sind diejenigen, die dafür sorgen, dass alles funktioniert. Ohne sie geht nichts. Darum braucht das Handwerk auch viel mehr Wertschätzung. Dass die Meisterausbildung endlich kostenlos ist, finde ich einen super ersten Schritt. Der Meister sollte dem Bachelor gleichgestellt sein. Denn ohne sein know how schaffen wir auch die notwendigen Veränderungen in der Energiewirtschaft und im Bauwesen nicht.
Um 5 Uhr morgens (oder früher) mit der Arbeit zu beginnen oder 12 Stunden bei Wind und Wetter auf dem Bau zu stehen, ist für die wenigsten eine attraktive Perspektive. Immer beliebter werden z.B. die 4 Tage Woche oder eben auch kürzere Arbeitszeiten zu ‚schul-ähnlichen‘ Zeiten, auch um jungen Menschen den Übergang von Schule in das Arbeitsleben zu erleichtern. Darauf müssen sich Arbeitgeber aber auch die Kunden einlassen. Es wäre ja auch nicht konsequent über längere Wartezeiten auf den Handwerker zu meckern, aber für sich selber komfortable Arbeitszeiten einzufordern.
Heute bildet gerade mal noch jedes fünfte Unternehmen aus. Und mit einem Hauptschulabschluss schränkt sich das Spektrum an möglichen Ausbildungsstellen noch einmal weiter ein.
Bezahlte Praktika – mit der Option auf einen Ausbildungsplatz – kann die Neugierde auf einen Beruf auch bei jungen Menschen, die sich in der Schule nicht so leicht tun, geweckt werden.
Hier müssen wir den Lehrplan in Berufsschulen entsprechend anpassen, damit wirklich alle eine passende und „schaffbare“ Ausbildung erhalten können. Denn ein super Handwerker muss nicht zwingend gute Aufsätze schreiben können.
Noch liegt die Verantwortung, einen attraktiven Arbeitsplatz anbieten zu können, weitest gehend beim Unternehmer. Gerade auch im Handwerk können wir unterstützen, indem z.B. die Kosten für Praktika mit der Option auf Ausbildung übernommen werden. Auch ein Mobilitätszuschuss für Auszubildende und verbesserte Beratung mit starkem Praxisbezug helfen den Handwerksberuf für junge Menschen attraktiver zu machen.